Mehr Gülle in Biogasanlagen – Mehr grüne Energie im Netz! Alles im grünen Bereich mit der neuen Gülleverordnung!

Biomethananlage in Holleben Biogasanlagen der agri.capital GmbH © agri.capital

Wirtschaftsdünger wie Gülle und Mist führen den Ackerflächen wichtige Nährstoffe zu, erhöhen die Bodenfruchtbarkeit und sparen Mineraldünger ein. Wohin aber soll die überschüssige Gülle? Eine Frage, die auf der EnergyDecentral 2020 in den Mittelpunkt der Aussteller aus der Biogasbranche rückt. Die internationale Fachmesse für innovative Energieversorgung und nachhaltige Energieproduktion findet vom 17. bis 20. November parallel zur EuroTier statt. Experten und Besucher diskutieren auf dem Messegelände in Hannover die Potenziale für die Ausweitung der Gülleverwertung in Biogasanlagen und identifizieren Lösungsansätze für die landwirtschaftliche Praxis. Dabei zeigt sich: Kleingülleanlagen mit einer installierten Leistung von 75 Kilowatt gehören zu den wirtschaftlich attraktivsten Investitionen unter den Erneuerbaren Energien.

Seit 1. Mai ist die neue Düngeverordnung in Kraft. Sie sieht längere Sperrfristen in den Herbst- und Wintermonaten vor, in denen bundesweit nicht gedüngt werden darf. Auch wenn die Ausweisung der sogenannten „roten Gebiete“, in denen die Nitratbelastung des Grundwassers besonders hoch ist, erst zum 1. Januar 2021 wirksam wird: Landwirte in den betroffenen Regionen geraten zunehmend in Zugzwang und suchen nach Lösungen, um dem Überschuss an Gülle entgegenzuwirken, der erhöhte Lagerkapazitäten in geschlossenen oder offenen Silosystemen erfordert. Gülle als Substrat für Biogasanlagen wird dabei zunehmend interessanter. Das wirtschaftliche Potenzial ist vielversprechend. Jährlich fallen mehr als 140 Millionen Kubikmeter an, die bisher als flüssiger Wirtschaftsdünger auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ausgebracht werden. Hinzu kommen etwa 20 Millionen Tonnen Festmist, die sich ebenfalls als Substrat in Biogasanlagen einsetzen lassen.

Großes Potenzial für die energetische Nutzung

Rund 7.500 Biogasanlagen erzeugen in Deutschland derzeit erneuerbaren Strom und Wärme unter Einsatz von Gülle. Der mittels Kraft-Wärme-Kopplung gewonnene Strom wird mehrheitlich in das Netz eingespeist. Hinzu kommen über 580 Güllekleinanlagen bis 75 Kilowatt für den landwirtschaftlichen Betrieb. Die Anlagen, die auf der EnergyDecentral im Fokus stehen, können nahezu jede organische Substanz vergären. Doch erst rund ein Viertel des hierzulande anfallenden Wirtschaftsdüngers wird in Biogasanlagen tatsächlich vergoren, was „allein durch die Vermeidung der Methanemissionen jährlich über zwei Millionen Tonnen CO2 einspart“, weiß Sandra Rostek. Die Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie sieht beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) dringenden Handlungsbedarf, um für Neu- und Bestandsanlagen Planungssicherheit zu schaffen und den Anteil der Güllevergärung auf 60 Prozent zu steigern – „ein realistisches Ziel, das zusätzlich ca. drei Millionen Tonnen CO2 vermeiden würde“, so Rostek. Bei unveränderten förderrechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen könne es dagegen zu einem Rückgang der Vergärung von Gülle kommen. Hier müsse vor allem die Sondervergütungsklasse weiterentwickelt werden, über die neue Güllekleinanlagen eine Vergütung erhalten können. „Sonst werden zukunftsfähige Anlagenkonzepte ausgebremst“, sorgt sich die Expertin.

Eine Gefahr, die auch Dr. Claudius da Costa Gomez sieht. „Wenn funktionstüchtige Biogasanlagen ab 2021 zurückgebaut werden, steht ein wesentlicher Teil der klimafreundlichen Energieversorgung nicht mehr zur Verfügung“, warnt der Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes Biogas und fordert, das Potenzial von Biogas im Bereich Gülle- und Abfallvergärung weiter auszubauen. Derzeit liegt die aus Gülle erzeugte Strommenge bei rund vier Terawattstunden. Bei Erschließung der Hälfte der noch insgesamt verfügbaren Güllemengen ließe sich diese Menge verdoppeln. Zu diesem Ergebnis kommt das vom Umweltbundesamt (UBA) beauftragte Forschungsprojekt „Aktuelle Entwicklung und Perspektiven der Biogasproduktion aus Gülle und Bioabfall.“ Erarbeitet wurde von den Autoren unter anderem ein Vorschlag zur Anpassung der EEG-Förderung, um mehr Anreize für den Einsatz von Gülle in Biogasanlagen zu schaffen.

Technologien für effiziente Vergärung

Für die Ausweitung der Güllevergärung sind auch neue Konzepte für den wirtschaftlichen Betrieb von Biogasanlagen gefragt. Dass es der Branche dabei nicht an technischer Innovationskraft fehlt, will einmal mehr die EnergyDecentral beweisen. Biogasanlagenbau von der Konzeption und Inbetriebnahme, über die Gasverwertung beziehungsweise -aufbereitung bis zur Restbehandlung: Die Aussteller präsentieren in Hannover ein umfassendes Portfolio für die gesamte Gärstrecke und bieten Hofbiogasanlagen in Modulbauweise zwischen 30 und 75 Kilowatt. Die Systeme zeichnen sich durch ihre kompakte Bauweise aus und lassen sich auch bei geringem Platzbedarf optimal in jeden landwirtschaftlichen Betrieb integrieren. Fermenter in dieser Größenklasse umfassen typischerweise zwischen 500 und 1.200 Kubikmeter Substrat. Rund ein Drittel der Wärme fließt zurück in die Biogasherstellung. Mit dem verbleibenden Überschuss lassen sich dank moderner Nahwärmenetze die landwirtschaftlichen Gebäude und Stallungen heizen oder Produkte wie Getreide und Stroh trocknen.

Künftig sollen Hochlastreaktoren das Potenzial der flüssigen Phase separierter Gülle fast vollständig ausschöpfen. Wissenschaftler an der FH Münster kombinieren dafür im Projekt „BioSmart“ verschiedene Substrate: Co-Vergärung heißt das Stichwort. So entstehen Synergieeffekte, die das Biogaspotenzial weiter wachsen lassen. „Es geht darum, verschiedene Reststoffe aus dem landwirtschaftlichen und dem industriellen Sektor zu kombinieren und im Labor zu testen“, erklärt Projektingenieur Lukas Wettwer. Im Fokus stehen fünf Substrate, darunter Rindergülle, Schweinegülle und stärkehaltiges Abwasser. Die Forscher wollen eine detaillierte Reststoffdatenbank aufbauen. Zuvor hatte das Team bereits einen Hochlastreaktor für Biogasanlagen entwickelt, in dem die Mikroorganismendichte durch innovative Technik gesteigert und dadurch die Abbaugeschwindigkeit erhöht wird. Bislang wurden die Reaktoren im Technikum betrieben. Jetzt sollen sie im Bioenergiepark Saerbeck in eine zweistraßige Biogasanlage integriert werden, um Daten für die wirtschaftliche Implementierung zu sammeln.

Vom Gärrest zum Düngerpellet

Für Landwirte, die verstärkt auf die wirtschaftliche Nutzung von Festmist oder Gülle setzen, sind die Techniken zur Aufbereitung von Gärresten ebenso wichtig wie intelligente Prozessorganisation. Die neuen Verfahren, die auf der EnergyDecentral vorgestellt werden, machen insbesondere den Betrieb großer Biogasanlagen effizienter. Das Portfolio der Aussteller umfasst optimierte Umkehrosmoseverfahren zur Steigerung der Trennleistung und innovative Komponenten für die thermische Veredelung. Moderne Systeme entziehen dabei dem Gärrest durch Vakuumverdampfung mit der Abwärme des Blockheizkraftwerks einen Großteil des Wassers. Durch den Trocknungsprozess entstehen hochwertige Düngemittel mit hohen Nährstoffgehalten, die sich zu geruchsarmen Pellets weiterverarbeiten lassen.

Der Ausblick auf die diesjährige EnergyDecentral zeigt: Die Aussteller der internationalen Fachmesse für innovative Energieversorgung und nachhaltige Energieproduktion bieten Biogasanlagenbetreibern die Möglichkeit, langfristig eine wirtschaftliche Perspektive ihres Betriebs aufzubauen. Für Gesprächsstoff an den Ständen und auf der BIOGAS Convention, die am 18. und 19. November auf dem Messegelände in Hannover stattfindet, dürfte auch das Ende 2018 in Kraft getretene Energiesammelgesetz (EnSaG) sorgen, mit dem die Größenbegrenzung für kleine Gülleanlagen von installierter Leistung auf Bemessungsleistung umgestellt wurde. Die Änderung ermöglicht Landwirten die Installation größerer Blockheizkraftwerke bis 150 Kilowatt Leistung – und damit den Einstieg in eine flexible und bedarfsgerechte Fahrweise.

Quelle: DLG