Für eine erfolgreiche Energiewende müssen Stromnetze flexibler werden

Mehr Flexibilität im Netz für die Energiewnde ©SOLAR-professionell

Stromnetze: Veraltete Regulierungen bremsen Energiewende europaweit – Regierungen müssen handeln

Die aktuelle Situation in Deutschland und den meisten europäischen Ländern stellt sich so dar, dass ein zentralisiertes Stromnetz auf wenige Großerzeuger ausgerichtet ist. Der Energiefluss ist dabei als Einbahnstraße konzipiert: vom Kraftwerk zum Verbraucher. Mit der Energiewende, in Deutschland hauptsächlich durch Wind und Sonne getragen, verschwimmt diese Trennung zwischen Erzeugern und Verbrauchern zusehends. Es gibt immer mehr verteilte kleine Erzeugungskapazitäten und viele Verbraucher sind ebenfalls Erzeuger – etwa durch eigene Solaranlagen.

Windkraft- und Solaranlagen werden günstiger. Transport und schließlich auch Heiztechnik müssen elektrifiziert werden, um die Emissionsziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. All das bringt zusätzliche Belastungen für das Stromnetz. Sowohl die Erzeugung als auch die Nachfrage von Strom wird variabler werden. Um diese Schwankungen abzufedern muss das ganze Energiesystem flexibler werden.

„Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, durch veränderte Regularien und Rahmenbedingungen die Anreize zu schaffen, die es für ein Netz braucht, das auf eine mehrheitlich erneuerbare und verteilte Energieerzeugung ausgerichtet ist. Als Beispiel können hierfür die Nordischen Länder dienen, die in vielen Bereichen bereits wesentlich weiter entwickelt sind als der Rest Europas“, sagt Martin Kram, Geschäftsführer Vertrieb, Electrical Sector für EMEA bei Eaton. „Gelingt es uns nicht, zügig die nötigen Infrastrukturen bereitzustellen, ist die Energiewende in Gefahr.“

Im Whitepaper „Developing flexibility: the new cornerstore of the grid“ von Eaton und der Renewable Energy Association werden verschiedene Probleme analysiert, die angegangen werden müssen und Maßnahmen vorgestellt, um das Netz zukunftssicher zu machen. Zu den wichtigsten Aspekten gehören:

  • Fehlende Märkte für Flexibilitätsressourcen: Die Flexibilisierung des Netzes erfordert Investitionen, sei es in Batteriespeicher, intelligente Ladegeräte für Elektroautos oder andere Speicherlösungen. Ohne Absatzmärkte für das so bereitgestellte Gut Flexibilität werden Investoren allerdings ausbleiben. Zudem müssen diese Märkte so gestaltet sein, dass sich Cash-Flows auf längere Zeit vorhersagen lassen, etwa durch mehrjährige Verträge. Wo derartige Märkte in Europa bereits existieren, sind sie meistens sehr kurzfristig konzipiert.
  • Beschränkter Zugang zu Kapazitätsmärkten: Die Energieerzeugung der Zukunft wird in wesentlich mehr, dafür kleineren und dezentraleren Einheiten erfolgen. Bisherige Regulierungen des Strommarktes begünstigen allerdings größere Kraftwerke. In Deutschland gilt beispielsweise der Schwellenwert von 1 MW Leistung, um als eigenständiger Akteur am Strommarkt teilzunehmen. Dies kommt einer Benachteiligung kleiner unabhängiger Stromproduzenten gegenüber Großerzeugern gleich. Um die dezentrale Energieerzeugung durch Wind und Sonne zu fördern, müssen die Marktzugangsbarrieren für kleine Erzeuger beseitigt werden.
  • Bedarf an intelligenten Ladegeräten für Elektroautos mit Einspeisungsfunktion: Intelligent ladende Elektrofahrzeuge sind in Zukunft für eine umfangreiche Laststeuerung unerlässlich, die wiederrum notwendig ist, um die variable Erzeugung durch erneuerbare Energien auszugleichen. Verfügen die Ladegeräte zusätzlich noch über eine Netzeinspeisungsfunktion, können ungenutzte Elektroautos als Speicherkapazität fungieren – auch als Vehicle-to-Grid (V2G) bekannt. Die neuesten EU-Vorschriften konzentrieren sich nicht auf Flexibilität, sondern auf die Anzahl der Ladegeräte. Es gibt keine Verpflichtung, zu intelligenten Ladegeräten oder Vehicle-to-Grid-Funktionen. Infolgedessen gibt es in Deutschland nur eine Handvoll smarte oder V2G-Ladegeräte. Außerdem sind nicht alle Elektroautos auf V2G ausgelegt. Hier herrscht Handlungsbedarf, damit Elektroautos alle ihre Vorteile – über die reine Emissionsvermeidung hinaus – ausspielen können.
  • Bedarf an intelligenten Stromzählern und dynamischen Verbraucherpreisen: Die Energiewende erfordert auch ein geändertes Verbraucherverhalten. Aus rein altruistischen Motiven und nur durch Apelle wird sich das nicht einstellen. Daher bedarf es eines neuen Abrechnungsmodells für Strom, das sich an dynamischen Marktpreisen orientiert. Wenn viel erneuerbarer Strom erzeugt wird, ist er günstig und die Verbraucher haben einen monetären Anreiz, ihren Verbrauch möglichst auf diese Zeiten auszurichten. Für die Einführung solcher dynamischen Stromtarife sind digitale Zähler und die dafür notwendigen Smart Meter Gateways erforderlich, die hierzulande zurzeit noch nicht in den technischen Ausführungen verfügbar sind. Deutschland sollte sich hier die Nordischen Länder zum Vorbild nehmen, wo die Geräte nahezu flächendeckend im Einsatz sind.

„Die Kombination aus unzureichenden oder wirkungslosen Infrastrukturplänen, veralteten Marktregeln und falsch gestalteten Netzentgelten bremsen die Einführung flexibler Technologien in den meisten europäischen Märkten. Die verzögerte Adaption von Batteriespeichern, Laststeuerung und intelligent ladenden Elektroautos wird die Gesamtsystemkosten erhöhen und den Ausstieg aus fossilen Energieträgern verzögern“, kommentiert Dr. Nina Skorupska, Chief Executive UK Renewable Energy Association, die Ergebnisse des Papiers.

Das vollständige Whitepaper „Developing flexibility: the new cornerstore of the grid“ mit interessanten Einblicken in den deutschen Markt und andere europäische Märkte können Sie hier kostenlos herunterladen.

Quelle: Eaton & Renewable Energy Association (REA)