Energiewende Im Netz: Wie Polen 90 GW Erneuerbare bis 2040 integrieren will.

Energiewende Im Netz: Wie Polen 90 GW Erneuerbare bis 2040 integrieren will.

Karte von Polen mit Entwicklungsgebieten für erneuerbare Energien sowie 2025 bestehende Hochspannungsnetze ©mg/SOLAR-professionell (deutsche Bearbeitung). © FORUM ENERGII (Original)

Die Polnische Stromwirtschaft befindet sich in schneller Transformation. Der Anteil erneuerbarer Energien stieg seit 2020 im Stromsektor von 15 % auf fast 30 %. Für weiteres Wachstum ist Handeln gefordert, denn Erneuerbare Energien brauchen ein Stromnetz, dass mit dezentrale Einspeisung umgehen kann. Es muss gehandelt werden.

Das Tempo des Wandels im polnischen Energiesektor hält an: Laut dem Nationalen Energie- und Klimaplan (NECP) könnten die Kapazitäten für Photovoltaik von derzeit 21 GW auf 29 GW im Jahr 2030 gesteigert werden. Das hat das Energy Forum, ein in Polen ansässiger europäischer, interdisziplinärer Think Tank in einer Studie festgestellt. Das Team aus Energie-Experten bündelt seine Erfahrungen aus den Bereichen öffentliche Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien, um wissensbasierte Lösungen für eine gerechte und effiziente Energiewende zu inspirieren.

26 GW PV warten auf Anschlussgenehmigung

So haben die Experten von „Energy Forum“ über eine Auswertung bereits veröffentlichter Anschlussanfragen herausgefunden, dass 26 GW an Photovoltaikanlagen auf Anschluss-Genehmigung warten. Gleichzeitig soll der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix bis zum Jahr 2030 ganze 56 % erreichen und bis 2040 sogar auf 69 % steigen. Damit diese Kapazitäten in das polnische Stromnetz integriert werden können, sind dringend Anpassungen am Netz notwendig.

Günstige erneuerbare Energie als Vorteil im globalen Wettbewerb

Energiepreise sind eines der wichtigsten Themen nicht nur der polnischen, sondern der ganzen europäischen Industrie. Laut Studie haben sowohl die Vereinigten Staaten als auch China Zugang zu günstigen fossilen Brennstoffen und erneuerbaren Energien, während Polen mit hohen Energiekosten und regulatorischen Hürden kämpfen muss. Der polnische Think Tank sieht die Lösung in einer direkten Versorgung der Industrie mit dezentralen erneuerbaren Energieanlagen, deren Umsetzung jedoch oft an komplexen Vorschriften und hohen Gebühren scheitere – trotz bestehender rechtlicher Möglichkeiten.

Erneuerbare Energien in Polen: Stand 2024, Erwartung für 2030 und 2040 ©mg/SOLAR-professionell (deutsche Bearbeitung). © FORUM ENERGII (Original)

Reformpaket 2024 ist nicht ausreichend

Im Oktober 2024 veröffentlichte die Regierung den Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans, der eine Veränderung des Energiemixes fordert. Investoren sollen damit in der Lage sein, Projekte schnell umzusetzen und Zugang zum Stromnetz zu erhalten. Trotz dieser Reformen bestehen weiterhin erhebliche Hindernisse für Investoren, kritisiert das Energie Forum. Laut dem Nationalen Energie- und Klimaplans sollte Polen bis 2030 mindestens 57 GW Leistung aus vorwiegend Photovoltaik- und Windenergieanlagen erreichen. Bis 2040 soll dieser Wert auf 93 GW steigen. Der Anschluss dieser Kapazitäten an das nationale Stromnetz erfordert eine strategische Planung der Standorte für Photovoltaik und Onshore-Windkraft. Die Netzinfrastruktur muss weiterentwickelt werden und erfordert intelligentes und effizientes Management, um Verbraucher zuverlässig mit Strom und einer stabilen Spannung zu versorgen.

Konkrete Maßnahmen: Kabelpooling und Direktleitungen

Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wurden im Jahr 2023 neue Regelungen eingeführt, die die Netzentwicklungsplanung erleichtern: das sogenannte „Kabelpooling“, das die gemeinsame Nutzung eines Anschlusspunktes durch mehrere erneuerbare Energiequellen erlaubt. Außerdem ist es möglich zwischen Erzeuger und Verbraucher direkte Leitungen zu bauen und so das öffentliche Netz zu entlasten. Aus Sicht des Energie Forum sind trotz der bisher eingeführten Reformen weitere Maßnahmen erforderlich, um den Ausbau der Erneuerbaren nicht zu bremsen. So sollte das Kabelpooling um die Möglichkeit erweitert werden, Stromspeicher als eigenständige Installationen anzuschließen. Zudem sollten die Gebühren für Direktverbindungen reduziert werden, um deren wirtschaftliche Nutzung zu fördern. Weitere Erleichterungen fordert der Think Tank durch die Schaffung von Zonen zur beschleunigten Entwicklung erneuerbarer Energien, eine erhöhte Transparenz im Verfahren zur Vergabe von Netzanschlüssen, die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Investitionen sowie eine vorausschauende Planung der Netzentwicklung, beispielsweise durch ein Kapazitätsauktionssystem.

Fazit

Die Transformation des polnischen Energiesektors erfordert umfassende Reformen, um erneuerbare Energien effizient in das nationale Netz zu integrieren und die Dynamik des Ausbaues nicht zum Erliegen zu bringen. Die bisherigen Maßnahmen zeigen Fortschritte, jedoch müssen regulatorische Hürden weiter reduziert werden, um Investitionen zu erleichtern und das Ziel eines klimaneutralen Energiesektors zu erreichen. Dr. Joanna Pandera, Präsidentin des Energy Forum, ruft zur Diskussion auf und ermutigt zur Umsetzung innovativer Lösungen. (mg)

Link zur Studie – in polnischer Sprache: file:///Users/mgo_laptop/Downloads/polskie-sieci-2040_final-2.pdf

Polens Energiewende: Vom Kohleland zum Boom der Erneuerbaren – Solar auf der Überholspur

Polens Energiewende: Vom Kohleland zum Boom der Erneuerbaren – Solar auf der Überholspur

10.11.2024

Polen wandelte sich vom Kohlestromland zur schnell wachsenden Erneuerbaren-Energie-Nation. Der Anteil erneuerbarer Energien stieg von unter 1 % (2004) auf über 12 % im Jahr 2023, beim Strom von 2,5 % in 2005 auf über 27 % im Jahr 2023.

Lange Zeit galt Polen als Land des Kohlestroms. Von 1965 bis 2004 lag der Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bei unter einem Prozent. Erst 2005 überschritt dieser Anteil erstmals die Ein-Prozent-Marke (1,14 %). Bis 2023 stieg er auf über 12 Prozent (12,15 %). Ähnlich sieht es im Stromsektor aus: Zwischen 1986 und 2004 bewegte sich der Anteil erneuerbarer Energien zwischen 1,1 und 1,9 Prozent, doch ab 2005 begann er mit 2,5 Prozent eine steile Wachstumsphase. Im Jahr 2023 wurde schließlich die Marke von 27 Prozent überschritten – Tendenz weiterhin steigend.

Mehr Sonne – mehr Wind Solar und Wind verdrängen Kohlestrom

In Polen werden jährlich rund 167 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert, während der Verbrauch bei 157 Milliarden Kilowattstunden liegt. Der Anteil erneuerbarer Energien wächst kontinuierlich, während der Kohlestromanteil abnimmt: Innerhalb von drei Jahren sank der Anteil von Steinkohle und Braunkohle an der polnischen Nettostromerzeugung von 76,0 Prozent auf 63,8 Prozent. Parallel dazu stieg der Anteil der Windenergie von 9,5 Prozent auf 14,6 Prozent, und der Anteil der Photovoltaik wuchs von 2,9 Prozent auf 8,7 Prozent.

Ende September 2024 betrug die installierte Photovoltaikleistung in Polen knapp 19,9 GW. Allein im September wurden 13.040 neue PV-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 363,53 MW installiert. Dabei entfielen 32 Prozent der installierten Kapazität auf Anlagen unter 51 Kilowatt Peak, 23 Prozent auf Anlagen mit 51 bis 999 Kilowatt Peak, und 55 Prozent auf Großanlagen mit einer Leistung ab 1.000 Kilowatt Peak.

Tendenz: große Anlagen

Der Trend zu größeren Photovoltaikanlagen wird von vielen Marktakteuren bestätigt. Während die Installation kleiner Anlagen auf privaten Gebäuden stark von staatlichen Förderprogrammen abhängt, dominieren im industriellen und gewerblichen Bereich Wirtschaftlichkeitsüberlegungen. Unternehmen setzen zunehmend auf Photovoltaik, um sich von Strompreisschwankungen unabhängig zu machen und langfristig niedrigere Energiekosten zu sichern.

Ein Blick auf die polnische Strompreispolitik erklärt diesen Trend: Während der Preis für privat verbrauchte Kilowattstunden in Polen mit 0,22 Euro relativ niedrig ist, liegt der Preis für gewerblichen Strom bei 0,39 Euro – deutlich höher als in anderen Ländern wie Deutschland. Angesichts des weiterhin hohen Anteils von Kohlestrom und des enormen Potenzials bei gewerblichen und produzierenden Unternehmen mit hohem Energiebedarf dürfte der Vertrieb von Photovoltaikanlagen im kommerziellen Bereich auch in Zukunft stark wachsen.

Polen und Kernkraft – ein schwieriges Verhältnis

Im Norden Polens, wenige Kilometer von der Ostseeküste entfernt, steht die Bauruine des ersten polnischen Kernkraftwerks Zarnowiec. Die Planungen begannen bereits 1972, und 1980 starteten die Bauarbeiten. Doch nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 formierte sich starker Widerstand in der Bevölkerung, der 1989 zur Unterbrechung des Baus und ein Jahr später zu einem Volksentscheid führte, der die endgültige Einstellung des Projekts besiegelte.

Seitdem gab es immer wieder Versuche, die Kernenergie in Polen zu etablieren. Der neueste geplante Standort für ein Kernkraftwerk liegt in der Nähe von Choczewo, nur 20 Autominuten von der Zarnowiec-Ruine entfernt. Skeptiker bezeichnen das Vorhaben bereits als „zweites Zarnowiec“. Die Regierung unter Donald Tusk hat den Netzanschluss vorsichtig für das Jahr 2040 geplant – acht Jahre später als von der Vorgängerregierung vorgesehen.

Im Mai dieses Jahres (2024) war jedoch noch kein Finanzierungsplan vorhanden – ein deutlicher Kontrast zur Photovoltaik.

Gewerbe-PV besonders rentabel

Ganz anders bei der Photovoltaik. Hier stehen Preise und Rendite fest und der Gestehungspreis liegt seit Jahren deutlich unter den Preisen des Netzstroms – weltweit. In Polen ist Photovoltaik für Gewerbetreibende Pflicht, bei Strompreis nahe der 40 Euro-Cent-Marke.

Manfred Gorgus (mg)