Neues, teures Leben für alte Photovoltaikanlagen

Nach dem neue EEG-Entwurf wird es nach der EEG-Förderung teuer und kompliziert für Altanlagenbetreiber ©Manfred Gorgus / SOLAR-professionell

Neues Leben für alte Photovoltaikanlagen. Seit Jahren fordern Solarverbände und sogar die Bundesnetzagentur einfache Lösungen für den Weiterbetrieb am Netz von kleinen Photovoltaikanlagen. Geliefert hat das Bundeswirtschaftsministerium einen für Anlagenbetreiber*innen teuren, komplizierten und bürokratischen EEG-Entwurf. Aus Sicht der Energiewende eine Peinlichkeit. Der Entwurf ist bürgerfern, Konzern-gefällig und überhaupt nicht nachhaltig. Dafür ganz im erwarteten Stile von Peter Altmaier, Energiewende schön reden und in der Praxis mit Füßen treten.

Bundeswirtschaftsministerium arbeitet am Volk vorbei

Ab 2021 fallen die  ersten Ökostromanlagen aus der EEG-Förderung. Seit langem wurde das Bundeswirtschaftsministerium aufgefordert das EEG-Gesetz anzupassen und die Situation zu entschärfen, denn es drohte wilde Einspeisung und daraus folgende Strafen für Anlagenbetreiber*innen. Vorschläge gab es viele, was jetzt aus dem Ministerium geliefert wurde ist kleinkariert und praxisfremd. Die Naturstrom AG zeigt in einem Positionspapier Perspektiven für alte Solaranlagen. Anstatt nur die Abnahme der Volleinspeisung durch die Netzbetreiber als Option zu ermöglichen, schlägt das Papier einfache Rahmenbedingungen für den Eigenverbrauch sowie für eine aktive Marktteilnahme für Anlagen unter 100 kWp vor.

Kleinkariert, überzogen und planlos

Im bisherigen Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums ist für die PV-Altanlagen bis zu einer Leistung von 100 kWp eine weitere Abnahme des Solarstroms durch die Netzbetreiber nach Standardlastprofil und gegen Durchleitung der Marktwerte vorgesehen – allerdings nur bei Volleinspeisung des erzeugten Stroms, schreibt Naturstrom. Davon werden noch nicht definierte Vermarktungskosten abgezogen und es sind sogar Vertragsstrafen vorgesehen, wenn nicht die gesamte Erzeugung ins Netz eingespeist wird.

Sowohl eine anteilige Eigenbedarfsnutzung des Stroms als auch eine eigenständige Vermarktung des Stroms setzen eine Bilanzierung im Viertelstunden Rhythmus voraus. Die Kosten dafür übersteigen die potenziellen Erträge kleiner Anlagen. Technisch und energiewirtschaftlich einfachere Möglichkeiten für Eigenverbrauch und Direktvermarktung kleiner Anlagen sind im EEG-Entwurf nicht vorgesehen.

Bürgernahe Lösung ist gefragt

Im Positionspapier plädiert der Ökostrompionier stattdessen für bürgernahe, dezentrale Möglichkeiten für den Weiterbetrieb alter Solarstromanlagen. Das könnte zum Beispiel eine weitere Abnahme des Sonnenstroms durch die Netzbetreiber gegen eine Marktwert-Vergütung sein, mit einem klar definierten kleinen Vermarktungskostenabschlag von 0,5 ct/kWh, die auch für Teilmengen des Stroms gilt. Die Belastung von selbst verbrauchtem und selbst erzeugtem Solarstrom durch die EEG-Umlage muss abgeschafft werden, und zwar generell für Anlagen bis 30 kWp. Des Weiteren soll eine vereinfachte Direktvermarktung eingeführt werden, damit sich die Anlagen auch ohne Viertelstundenbilanzierung und den damit verbundenen hohen Kosten am Markt versuchen können.

Für Anlagen bis 7 kWp soll dies dauerhaft gelten, für größere Anlagen gibt es Übergangszeiten. Damit wird im Gegensatz zum Vorschlag des Wirtschaftsministeriums eine private Nutzung des Stroms als Eigenverbrauch und/oder in der Direktvermarktung möglich. Natürlich soll es auch Ökostrom-Herkunftsnachweise für den Strom geben.

Mutloses Ministerium

„Dem Wirtschaftsministerium fehlt der Mut, die Menschen und Unternehmen vor Ort einfach mal machen zu lassen. Dabei brauchen wir keine kleinteilig zentral verwaltete Energiewende, sondern Freiräume, in denen sich vor Ort kreative Lösungen für die kommenden Phasen dieser Transformation entwickeln können“, erklärt Naturstrom Chef Dr. Meyer. Die frühen und weiterhin gut laufenden alten Solaranlagen sollten wieder Pionierarbeit für neue dezentrale Geschäftsmodelle leisten.

Positionen punktgenau:
  • Solarstrom aus Ü20-Anlagen bis 100kWp kann zunächst weiterhin ohne Viertelstunden-Bilanzierung durch die Netzbetreiber abgenommen werden. Die Anlagenbetreiber*innen erhalten für den voll oder nach Eigenverbrauch teilweise eingespeisten Ökostrom den Solar-Marktwert minus einen kleinen Abschlag von 0,5 ct/kWh. Die Finanzierung läuft über das EEG-System.
  • Für Anlagen bis 7 kWp gilt dies bis mindestens 2027.
  • Bei größeren Anlagen (7-100kWp) gilt dies übergangsweise vorerst für maximal zwei Jahre. In dieser Zeit sollen neue Prozesse etabliert und der Roll-out der in dieser Anlagenklasse ohnehin verpflichtenden Smart Meter umgesetzt werden.
  • Grundsätzlich fallen alle Anlagenbetreiber*innen automatisch in diese Auffanglösung, wenn sie sich nicht um andere Vermarktungsformen bemühen. Wilde Einspeisung wird so vermieden und der Solarstrom kann weiter im System genutzt werden.
  • Die sonstige Direktvermarktung für kleine Anlagen wird vereinfacht und komplett digitalisiert. So soll die Umstellung für Betreiber*innen attraktiv und rentabel werden. Mit einer solchen, bereits von anderen Marktakteuren vorgeschlagenen „kleinen Direktvermarktung“ sorgen Stromhändler zunächst alternativ zu den Netzbetreibern, später als einzige Option für die Marktintegration des Solarstroms.
  • Die Bilanzierung soll zunächst über Standardlastprofile erfolgen, später bei größeren Anlagen im Viertelstundentakt.
  • Viertelstunden-Bilanzierung bei Anlagen soll für Anlagen kleiner 7 kWp dauerhaft entfallen. Stattdessen kommen Standardlastprofile zum Einsatz, die den Eigenbedarf berücksichtigen.
  • Auch bei größeren Anlagen bis 100 kWp entfällt im Rahmen einer kleinen Direktvermarktung zunächst die Pflicht zur Viertelstunden-Bilanzierung. Diese soll schrittweise eingeführt werden, wenn die Vermarktungsprozesse in diesem Segment vollständig digitalisiert sind und auch weitgehend eine direkte Bilanzierung und Steuerung des Verbrauches möglich ist.
  • Aktuell sind die Kosten für die Direktvermarktung zu hoch. Die Einspeisung sollte im ersten Schritt ebenfalls über Standardlastprofile auf Basis bisheriger Einspeisungen dieser Anlagenklasse(n) in den Bilanzkreisen erfolgen.
Kritik am EEG-Entwurf von vielen Seiten

Kritik hagelt es von vielen Seiten für den EEG-Referentenentwurf. Das war nicht anders zu erwarten, denn Wirtschaftspolitik ist in Deutschland Konzernpolitik. Im Fall der Erneuerbaren fehlt es im Bundeswirtschaftsministerium an Wissen, Verständnis und am Willen zu intelligenter, dezentraler und bürgernaher Energieversorgung. Das dezentrale, regionale liefert natürlich keine Konzernlobby, das wäre wieder ihre Interessen. Das Bundeswirtschaftsministerium macht sich kein eigenes Bild, es scheidet von der konservativen Energielobby Vorgekautes als Referentenentwurf aus. Wie anders könnte ein Ministerium des Volkes derart unsinnige Regeln erdenken, bei denen vor dem Hintergrund der Energiewende die Betriebskosten kleiner Photovoltaikanlagen weit über deren Einnahmen liegen?

Manfred Gorgus zum Positionspapier Naturstrom AG

Den EEG-Referententwurf, Bearbeitungsstand: 25.08.2020 11:48 Uh, finden Sie Hier.

Das NATURSTROM-Positionspapier zum Weiterbetrieb von Ü20-Solaranlagen finden Sie Hier.