Wenn RWE verkauft gehört EON 50 Prozent des deutschen Stromnetzes ©manfred gorgus SOLAR-professionell
EON will die RWE Tochter Innogy übernehmen. Das riecht nach beherrschender Marktpräsenz – das sagt zumindest der Ökostromanbieter „Naturstrom“ und fordert die EU-Kommission auf den Deal zwischen E.ON und RWE zu untersagen.
Düsseldorf, 29.Mai 2019.
Die NATURSTROM AG fordert die EU-Kommission in einer Stellungnahme auf, den Deal zwischen E.ON und RWE zu unterbinden. Andernfalls, so befürchtet der Öko-Energieversorger, droht eine marktbeherrschende Stellung von E.ON, die einen fairen Wettbewerb unmöglich macht. Mit der Folge, dass nach einer Zeit der Marktbereinigung mit steigenden Preisen für die Endkunden zu rechnen ist.
Mit der geplanten Übernahme der RWE-Tochter Innogy durch E.ON und dem Tausch von Geschäftsbereichen teilen die beiden Großkonzerne den Energiemarkt untereinander auf. Während RWE den Kraftwerkspark von Innogy und E.ON sowie eine Beteiligung an E.ON in Höhe von 16,7 Prozent erhält, bekommt E.ON das Endkundengeschäft im Strom- und Gasbereich, den Betrieb von Strom- und Gasnetzen sowie junge Geschäftsfelder wie die Ladeinfrastruktur für Elektroautos. Mit Abschluss dieses Deals würden die beiden Konzerne im Handstreich den Energiemarkt in Deutschland neu ordnen.
„Für E.ON gäbe es nach Abschluss des Deals keine Wettbewerber auf Augenhöhe mehr“, warnt Dr. Thomas E. Banning, Vorstandsvorsitzender von NATURSTROM. „In einigen Geschäftsfeldern hätte die neue E.ON eine marktbeherrschende Stellung inne, so dass sie je nach Netzgebiet Stadtwerke und andere mittelständische Wettbewerber binnen weniger Jahre aus dem Markt drängen könnte. Mit einer besorgniserregenden Konsequenz für die Kunden, die nicht mehr wie heute die Wahl zwischen vielen Anbietern hätten. Stattdessen müssten sie mit deutlichen Preiserhöhungen rechnen, sobald es den Aktionären von E.ON genehm ist.“
Die Wettbewerbsverzerrung betrifft sowohl die Endkundenversorgung mit Strom und Gas als auch den Betrieb der Stromverteilnetze. Mit der Übernahme der Innogy-Kunden würde E.ON inklusive aller seiner Beteiligungen rund 16 Millionen Stromkunden beliefern. Für rund 67 Prozent der Kunden in Deutschland wäre E.ON der Grundversorger, zudem wären gemessen an der Leitungslänge 50 Prozent der Verteilnetze in der Hand des Konzerns.
„Die marktbeherrschende Stellung im renditeträchtigen Netzbetrieb und in der Grundversorgung gäbe E.ON die Möglichkeit, durch vorübergehend günstigere Preise in konkreten Wettbewerbssituationen, die Stellung im Endkundenmarkt wie auch bei der Neuvergabe von Netzkonzessionen weiter auszubauen und Wettbewerber zu verdrängen“, warnt NATURSTROM-Vorstandschef Banning. „Mittelfristig können nach der Marktbereinigung Preiserhöhungen dann umso leichter durchgesetzt werden.“ In jungen Märkten wie dem Betrieb von intelligenten Zählern und Ladesäulen bestünde zudem die Gefahr, dass E.ON seine Marktmacht nutzt, um eigene Vorstellungen über technische Lösungen oder Abwicklungsprozesse als Standards für die gesamte Branche durchzusetzen.
„Der Wettbewerb in der Belieferung von Stromkunden hat sehr lange gebraucht, um in Gang zu kommen“, erinnert Banning. Die 1998 gegründete NATURSTROM AG ist einer von lediglich vier unabhängigen Stromanbietern, die die Anfangsjahre der Marktliberalisierung überlebt haben. „Seit Mitte der 2000er hat sich der Wettbewerb im Stromvertrieb positiv entwickelt, allerdings in sehr kleinen Schritten. Der Deal zwischen E.ON und RWE torpediert diese mühsam errungenen Erfolge.“
Die EU-Kommission hatte die Frist zur Überprüfung des Megadeals Anfang Mai ausgesetzt. Aktuell prüfen die Wettbewerbshüter der EU sowohl die Wirkung des Deals auf das Endkundengeschäft und die Stromnetze als auch auf Smart Metering und Ladesäuleninfrastruktur. Mit einem Abschluss des Verfahrens rechnet die Branche im Laufe der zweiten Jahreshälfte.
„Sollte die Kommission den Deal entgegen aller Argumente im Grundsatz freigeben, muss sie ihn mit strengen Auflagen verbinden“, so Banning. „In diesem Fall sollte sich E.ON von großen Teilen seines Geschäftes trennen, besonders von den vielen Beteiligungen an Stadtwerken und Regionalversorgern. Unternehmen wie NATURSTROM sollte eine faire Möglichkeit gegeben werden, einige dieser Beteiligungen zu übernehmen. Angesichts der ungeheuren Herausforderung, den Klimawandel noch einzudämmen, darf sich die alte Generation der kapitalmarktgetriebenen Großkonzerne den Markt nicht ungehindert untereinander aufteilen.“
Quelle: Pressemeldung der Naturstrom AG
Kommentar:
Die Hälfte des deutschen Leitungsnetzes und von insgesamt knapp 46 Millionen Stromkunden in Deutschland mehr als ein Drittel bei einem Unternehmen. Das klingt nach Monopol und nicht nach Wettbewerb. Vor allem die Netzkontrolle klingt besorgniserregend. Wer das Netz hat, kontrolliert auch, wer, wo, was, wann und wie einspeisen darf. Ich erinnere mich gut an Zeiten, in denen regelmäßig Unterlagen für Solarstromanlagen verloren gegangen sind, auch wenn sie viermal eingereicht wurden. Das war 2009 und 2010. Man hatte damals den Eindruck, als gäbe es für EON Mitarbeiter in Südbayern Bonuspunkte für verschleppte Anträge für Photovoltaikanlagen. Die großen Stromkonzerne waren lange Zeit Gegner der Erneurbaren Energien. Diese Zusammenführung von Marktmacht in den Händen der EON ist ein schlechtes Signal für engagierte Stromanbieter im Erneuerbaren Bereich.
Manfred Gorgus